Unterschiedlichste Leiber melden sich in Amir Gudarzis „Körpergesang“, mit dem der aus dem Iran stammende Autor den Christian-Dietrich-Grabbe-Preis 2022 gewann, zu Wort: Eine Minensucherin und ihre wechselnden Mitarbeiter*innen, Politiker*innen, mythologische Held*innenfiguren wie Odysseus, der einäugigen Riese Polyphem und Dädalus; ein sich aus abertausenden Tropfen formierender roter und schwarzer Fluss, der von Afghanistan über den Nahen Osten Richtung Westen fließt und dabei alles um- und überströmt, was sich ihm in den Weg stellt. Zu Wort kommen ein Drohnengeschwader, paradiesische Jungfrauen sowie Stimmen, die ihren Körper bereits verloren haben. Mitunter diffundiert eine mythologische Heldenfigur zu einer Schreckensgestalt wie Osama Bin Laden. Währenddessen treibt die unsichtbare Hand des Weines ihr eigenes Spiel mit einer korrupten Politikerkaste Europas. Diese versucht, sich vor den Strömen fliehender Menschen hinter einem festungsartigen Bauwerk eines aufstrebenden Baumeisters zu verschanzen.
Es sind desaströse Verfehlungen globaler Politik der vergangenen Jahrzehnte, die Amir Gudarzi auf seine Weise anprangert. Verfehlungen, die dem Terror des Islamischen Staats und anderen terroristischen Bewegungen weltweit fruchtbaren Boden bereiteten.
DAS STÜCK
Besetzung
- Inszenierung Jan Steinbach
- Bühne & Kostüm Frank Albert
- Dramaturgie Sophia Lungwitz
- Licht Udo Groll
- Ton Timo Hintz
- Maske Kerstin Steinke
- (u.a. Minensucherin) Katharina Otte
- (u.a. Odysseus) Hartmut Jonas
- (u.a. einäugiger Riese) Alexandra Riemann
- (u.a. Europa) Leonard Lange
- (u.a. Dädalus) Patrick Hellenbrand
- (u.a. Minensucher/ Jungfrau) Emanuel Weber
- (u.a. Autor/ Polizist) Paul Enev
- (u.a. Jungfrau) Stella Hanheide
- (u.a. Jungfrau) Gernot Schmidt
Kritiken
Regisseur Jan Steinbach ist es gelungen, den vielschichtigen Text in beeindruckenden Bildern und Handlungen einzufangen. Als große Ensembleleistung verliehen Katharina Otte, Hartmut Jonas, Alexandra Riemann, Leonard Lange, Patrick Hellenbrand, Emanuel Weber, Paul Enev, Stella Hanheide und Gernot Schmidt in wechselnden Rollen den komplexen Textpassagen Gestalt im dichten Spielfluss. Punktgenaues chorisches Sprechen und stakkatohafte Sprechsalven, die wie Maschinengewehr klingen, sorgten für Dramatik und unterstrichen den musikalischen Aspekt des „Körpergesangs“.
Lippische Landes-Zeitung
Der Leib mag gequält und zerstört sein, aber seine Stimme erhebt sich und lässt ihn überleben. Regisseur Jan Steinbach und sein Team haben das mit einfachen Mitteln großartig umgesetzt. Die Bühne besteht aus einem drehbaren Felsengebirge, in und auf dem sich die neun Schauspieler*innen bewegen, dessen Gipfel sie in Siegerpose besteigen, in dessen Klüften sie ermordet verschwinden oder sich angstvoll zusammenkauern. In den hautfarbenen, eng anliegenden Bodysuit-Kostümen wirken ihre Körper erotisch und martialisch, vor allem aber sind sie sichtbar. Das monochrome Bühnen- und Kostümkonzept stattet Frank Albert dann mit wenigen Requisiten effektvoll aus.
nachtkritik.de
Eine große Leistung des Landestheaters.
WDR 5 Scala